Hier wird dir schon geholfen

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Manchen Menschen ist einfach nicht zu helfen. Da will dir zum Beispiel Kollege Müller die Präsentation vom Chef kopieren, aber du winkst ab.
„Da steht eh nichts Gescheites drin.“

Der Müller als Helfer steht jetzt da, mit einem richtig schlechten Gefühl, Streber quasi. Und weil das Gefühl nicht weicht und du auf einmal in seinen Augen richtig doof erscheinst, verpfeift er dich beim Chef.

„Chef, der Huber findet ihre Präse doof.“
Der Chef ist gar nicht erfreut.
„HUBER, rein in mein Büro.“
„Was soll das?“, fragst du Müller beim Reingehen, während er nur müde abwinkt.
„Ich wollte dir nur helfen.“
Du denkst darüber nach.

Nach Feierabend willst du einer fußlahmen Oma über die Straße helfen. Die will aber gar nicht rüber. Die will da bleiben, wo sie ist.
„Jetzt lassen Sie sich doch endlich unter die Arme greifen, wenn ich schon in Stimmung bin.“
„ Aber ich will doch gar nicht auf die andere Seite.“
„Spielt doch keine Rolle, was sie wollen. Ich helfe ihnen. Außerdem ist drüben voll schön. Bäcker und Getränkemarkt.“

Die Oma bekommt Lust auf eine Nussschnecke und ein kühles Augustiner.
„Aber mein Bus fährt hier ab.“
„Sie fahren Bus?“
„Ja, schon mein Leben lang.“
„Wie soll sich da bitte eine anständige Beinmuskulatur aufbauen?“
„Im Alter baut die sich halt wieder ab.“
„Faule Ausrede. Und jetzt ab auf die andere Straßenseite.“

Doch, mein Lieber! Auf der anderen Straßenseite hilft dir Oma ganz schön heftig und verdrischt dich mit ihrem Rollator. Vielleicht ist zu viel der Güte ja auch kontraproduktiv, denkst du. Klar, schon, ja, gut. Wenn jemand um Hilfe bittet und man helfen kann. Aber nicht, dass man dann selbst noch Hilfe braucht.

Manche Menschen nutzen einen nämlich ganz schön aus. Da gibst du ihnen den kleinen Finger und die wollen gleich den ganzen Inhalt deines Kühlschranks. Sprich, plötzlich arbeitest du umsonst für sie und kannst nicht mehr einkaufen, weder beim Bäcker noch im Getränkemarkt, weil du kein Geld bekommst, weil du ja jetzt umsonst arbeitest. Weil du später mal Karriere machen willst und so.

„Ich bin ein Freund von deinem Vater. Kannst du mir bei einem Projekt helfen?“
„Klar, unbekannter Fremder. Auf dich hab ich mein Leben lang gewartet.
Für dich mach ich alles gratis. Und allein, weil du gefragt hast, leg ich mein Erspartes oben drauf.“ „Ok. Aber deinen Dispo will ich auch.“

Solche Leute gibt es wirklich. Die riechen deinen weichen Atem und zack, bumm, eh du einer fußlahmen Oma über die Straße helfen kannst, verhalten sie sich dir gegenüber, als ob sie dich gekauft hätten. Rufen ständig an, schicken Nachrichten und Emails, als ob du ihr Hündchen wärst. Bis du checkst, dass du kein Hündchen bist, warst und sein wirst. Gezaubert wird nur in Fantasy-Romanen. Und überhaupt: Hündchen schickt man keine Nachrichten, man räumt ihre Haufen weg und gibt ihnen Leckerlies. Aber du hast nicht mal was zu essen. Der Kühlschrank ist leer. Und das Denken fällt dir furchtbar schwer.

Und gerade da an diesem Punkt ist es echt furchtbar wichtig, dass du deine Synapsen motivierst und die Kurve kriegst. Weil sonst kannst du sehen, wie du den Bus in den Feierabend erwischst.

„Ab jetzt nicht mehr umsonst, klar?“
„Aber ich dachte, wir wären Freunde.“
„Aber in Wahrheit kennen wir uns doch gar nicht.“
„Stimmt, aber nur noch dieser eine kleine Gefallen, ok?“

Bevor du überhaupt darüber nachdenkst, was du darauf antwortest, gehst du erst mal Müller verdreschen. Mit einem Rollator. Nur ein bisschen. Damit er checkt, dass Kollegen verpfeifen doof ist. Dann holst du dir eine Nussschnecke vom Bäcker. Und ein kühles Augustiner aus dem Getränkemarkt. Weil, wie mein Vater immer sagt: lieber gratis für sich sitzen als umsonst für andere schwitzen.