Wie du wirst, was du bist

Du wirst geboren und kannst dir nicht aussuchen wo. Du wirst erzogen und kannst nicht wählen von wem. Und die nächsten Jahre kannst du auch nicht entscheiden, in welche Kita, welchen Kiga, welche Schule du gehst, wo du lebst, wann du ins Bett gehen musst und wie viele Kekse wirklich genug sind. 

Ob das okay für dich ist, dass du in München geboren wurdest, deine Eltern Gastarbeiter waren, ihr sehr oft umziehen würdet, du erst in Jugoslawien zur Schule kommst, dann in Deutschland nochmal in den Kindergarten, um dann dort in die Schule zu kommen, um dann neben Manfred zu sitzen, hat keiner gefragt. 

Meine erste Entscheidung im Leben war, dass ich Fußball in einem Verein spielen wollte. Meine Zweite, dass ich nicht mehr Fußball im Verein spielen wollte, sondern lieber auf der Tribüne einen kiffen.

So fing das an mit dem Entscheiden und dem Werden. Und Junge, Junge, habe ich mich entschieden. Ich habe mich entschieden, möglichst wenig zu lernen und dafür mehr zu lesen, ich habe mich entschieden, alle anderen und mich nicht so ernst zu nehmen, das Zweite vergesse ich manchmal, aber dann erinnere ich mich wieder, ich habe mich entschieden, ein halbes Jahr in Australien auf dem Bau zu arbeiten, um mich danach einem geisteswissenschaftlichem Studium zu widmen, obwohl mein Vater entschieden dagegen war, weil er das für Spinnerei hielt. Vielleicht war es das auch nicht.

Aber vor allem war das mit die beste Entscheidung. Mich gegen den Einfluss der Eltern zu entscheiden, gegen ein Leben in traditionellen Zwängen für die grenzenlos denkende Freiheit, gegen die katholische Kirche für eine Reise nach Indien, ein Bad vor dem goldenen Tempel, ein Schluck gesalbtes Wasser und eine gesalzene Magen-Darm-Verstimmung. 

Ich habe mich entschieden, Werbung zu machen, um mit Werbung wieder aufzuhören, um mit Werbung wieder anzufangen, um wieder damit aufzuhören, um davon nie wegzukommen und es immer noch zu machen, aber jetzt anders.  

Jetzt mache ich das entschlossen als Freiberufler, weil mir gefällt diese Bezeichnung. Freiberufler. Frei von Beruf, frei von Berufung. Frei berufen. Berufen, frei zu sein. Hell, yeah. Das gefällt mir viel besser als selbst und ständig. 

Aber die wohl wichtigste Entscheidung: ein Leben mit meiner Frau. Wobei sie sich da eher für mich entschieden hat und ich die Entscheidung freudig angenommen habe. Weil irgendwann habe ich erkannt, wenn ich mich für eine Frau entscheide, entscheidet sich sich meist gegen mich, also habe ich mich entschieden, Frauen die Wahl zu lassen, um danach zu entscheiden, ob ich die Wahl auch annehme. So fühlt man sich ein bisschen wie ein Präsident, der gar nicht zur Wahl angetreten sind – unverhofft siegreich. 

Und dann kam die Entscheidung für Kinder. Ich weiß nicht, ob es eine bessere Entscheidung im Leben gibt. Wenn du etwas von dem Text behältst, dann dies: entscheide dich immer unbedingt für Kinder, wenn es geht, wenn du den Richtigen/ die Richtige an deiner Seite hast, und dann besser sofort als später. Der entscheidende Vorteil: Kinder sind in der grundsätzlich fröhlich und wahre Zenmeister, immer im Moment, immer da. Die brauchen keine Woche Schweigekloster oder ein Wochenende Digital Detox, um zur Ruhe zu finden, die brauchen nur einen Vater wie mich, der sagt: „Ruhe jetzt!“, und „Finger weg von Mamas Handy!“ Dann wird gemeinsam entspannt.  

„Den Charakter eines Menschen erkannt man daran, wie seine Kinder ihn begrüßen“, habe ich irgendwo gelesen. Meine Kindern lachen und schneiden Grimassen, wenn sie mich sehen. Sie hauen mir in den Penis, wenn ich sie ärgere und den Rest der Zeit nehmen sie mich nicht weiter ernst. Dass sie mich als Vater bekommen würden, konnten sie sich nicht aussuchen, aber sie finden mich schon nicht verkehrt. Ich glaube, das liegt an den Entscheidungen, die ich in meinem Leben bisher getroffen habe: Bücher statt Büro, Liebe statt Gleichgültigkeit, Joints statt Fußball und natürlich jede Menge Kekse. Genau so wurde ich, wie ich jetzt bin.

Wie wurdest du, wie du bist? Und was ist die beste/ wichtigste Entscheidung, die du in deinem Leben gemacht hast? Ich freue mich, wenn du mir schreibst. #Peace