Alle Weißen sind schlecht

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Neulich war ich mit meinem Bruder im Irish Pub. Wir tranken auf die Geburt seiner Tochter und feierten ausgelassen. Da lächelte ich einen Mann an, der zu uns rüber schaute. Es war ein Schwarzer.

Ich mag schwarze Menschen. Früher habe ich, wann immer ich welche traf, ganz besonders gelächelt. Aus Solidarität. Weil ich zeigen wollte, dass ich verstehe, dass sie es in einer weißen Gesellschaft nicht einfach haben. Oft stand ich kurz davor, sie mit Bruder oder Schwester anzusprechen, aber das wäre wohl nach hinten losgegangen. Sie hätten sich womöglich verarscht gefühlt.

Wenn man so will, war ich ein positiver Rassist. Ich habe Menschen aufgrund irgendeiner Eigenschaft, für die sie nichts konnten, aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft als etwas Besonderes betrachtet. Das sollte man nicht machen.

Ich mag schwarze Menschen. Allein diese Aussage, der ganze zweite Absatz im Grunde ist eine einzige Diskriminierung. Gegenüber Schwarzen. Und allen anderen. Das ist, wie wenn man sagt, ich mag eine bestimmte Apfelsorte. Oder ich mag Schokolade. Man vergleicht Menschen wie Dinge und entzieht ihnen das Menschliche. Das ist dumm. Selbst bei Schokolade gibt es Unterschiede.

Also habe ich begonnen, schwarze Menschen nicht mehr ganz besonders zu mögen, sondern ihnen wie allen anderen Menschen zu begegnen. Offen und unvoreingenommen. Mit einem Lächeln. So gut es halt geht. Latente Vorurteile sind schwer zu entsorgen. Sie schlummern im Unbewussten.

Der Mann aus dem Pub kam aus Somalia und lebte in England. Er sagte, ich sähe aus wie Jürgen Klopp. Keine Ahnung, ob das als Kompliment gemeint war, oder nicht. So was sagt man halt manchmal zu anderen. Man vergleicht Menschen mit anderen Menschen, die man kennt. Sei es auch nur aus dem Fernsehen. Daraus zieht man seine Schlüsse und ordnet den Gegenüber ein. Auch das sollte man nicht machen. Der Mann erinnerte mich an den Fußballspieler Didier Drogba. Bestimmt konnte er gut dribbeln.

Dann sagte der Mann aus verschneitem Himmel:
„Alle guten Menschen sind Schwarze“.

Ja, nickte ich. Und alle Hamburger sind schuppige Fischköpfe, alle Berliner grimmige Assis, alle Frankfurter geschniegelte Kapitalistenschweine und alle Münchner arrogante Bauern. Ich mache meistens Scherze, wenn mir etwas unangenehm wird.

Der Mann nannte Beispiele, um seine These zu stärken. Muhammed Ali, Malcolm X, Martin Luther King. Alles gute Menschen, sagte er. Ich nickte. Was aber sei mit Jesus, Martin Luther und Bono von U2? Das seien auch gute Menschen und sie wären weiß. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet Jesus mit in die Aufzählung nahm. Der hatte schon lange nichts mehr Gutes getan.

Ah, winkte der Mann ab. Im Grunde seien das auch Schwarze. In ihrem Inneren. Ja, sagte ich. Genau. Und alle Ossis sind rechts, alle Österreicher doof, alle Schweizer langsam, alle Italiener wohnen bei ihrer Mutter und alle Franzosen stinken. Vorurteile, die mir spontan einfielen. Aus dem Unbewussten.

Den Mann beeindruckte das nicht. Er blieb bei seiner Meinung. Weiße Menschen seien schlecht und nur schwarze Menschen hätten ein großes Herz. Und einen großen Penis, bekräftigte ich ihn.

„Warum seid ihr Leute so?“
„Wir Leute? Wer, wir?“
„Ihr Weißen.“
„Keine Ahnung. Vielleicht, weil wir kleine Penisse haben.“

„Ihr habt meinen Bruder getötet, weil er atmen wollte.“
„Du bist ein Rassist“, sagte ich zu dem Mann und suchte nach Worten.

„Ich habe niemanden getötet und schon gar nicht deinen Bruder. War das überhaupt dein Bruder, oder nennst du ihn nur so, weil er schwarz war?
Bin ich etwa nicht dein Bruder, weil ich weiß bin? Warum siehst du da den Unterschied?

Wie würdest du dich fühlen, wenn ich alle Weißen mit Bruder und Schwester anrede und alle Schwarzen ignoriere? Sollten wir nicht langsam aufhören mit diesen Stereotypen und beginnen, alle Menschen gleich zu betrachten?

Ich träume von einer Welt, in der du mich nicht als weißen Arsch siehst. Nicht als Stellvertreter für ein paar ängstliche Polizisten aus Amerika, die gerade Scheiße bauen.

Ich träume von einer Welt, in der du und ich das als gemeinsames Problem sehen und es mit Liebe, Toleranz und Verständnis lösen. Ich träume von einer Welt, in der wir eines Tages alle Bruder und Schwester zueinander sagen und einsehen, dass unter der verschiedenfarbigen Oberfläche unserer Haut unser Blut die gleiche Farbe hat.

Als kleiner Junge waren meine Vorbilder Michael Jordan und Bob Marley. Nicht weil sie schwarz waren, sondern weil sie geil Basketball spielten und coole Musik machten. Weil sie ihren Traum lebten und mich zum Träumen verführten. Mir zeigten, dass im Leben alles möglich ist, wenn man an sich glaubt. Schwarz oder weiß. Christ oder Moslem. Mädchen oder Junge.

Es gibt Menschen mit großem Herzen und Menschen mit geringem Verstand, aber das ist unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion. Ich träume von einer Welt, in der jeder Mensch nach seinen Worten und Taten beurteilt wird und nicht nach seinem Aussehen oder Finanzstatus. Beginnen wir heute damit, eine bessere Welt zu schaffen und hören wir auf mit diesem Schwarz-Weiß-Denken.“

„Du hast recht, aber du siehst immer noch aus wie Jürgen Klopp“, sagte der Mann und lachte. Wir gaben uns die Hand und er wollte mir ein Bier ausgeben für meine Worte. Ich lehnte ab. Weil ganz ehrlich, wer weiß, was der mir ins Glas geschüttet und anschließend mit mir angestellt hätte. Alle Schwarzen handelten doch mit Drogen und hatten einen großen gefährlichen Penis, der viel Unheil anrichten konnte. Oder etwa nicht?