Nur noch fünf Minuten oder das Ende der Welt

„If the end of the world was near
Where would you choose to be?
If there was five more minutes of air
Would you panic and hide?
Or Run for your life?
Or stand here and spend them with me?“
Rob Dickinson

Wenn ich noch 5 Minuten hätte, würde ich mit meiner Frau und unseren zwei Kindern ein Eis essen gehen. Wir würden die Kugeln der anderen probieren, uns ankleckern und gemeinsam den letzten Moment kosten.

Wenn ich weitere 5 Minuten hätte, würde ich meine Eltern und meinen Bruder anrufen. Per Video. Ich würde sie fragen, wie es ihnen geht, was sie die Tage so gemacht haben und was sie nachher noch vorhaben. Meine Mutter würden den Witz nicht verstehen, aber mein Bruder und mein Vater würden lachen. Und ich würde mich freuen, meine Familie ein letztes Mal verwirrt und zum Lachen gebracht zu haben.

Wenn ich weitere 5 Minuten hätte, würde ich meinen besten Freund anrufen und ihn fragen, ob er sich das mit dem Heiraten endlich überlegt habe. Seine Freundin will, er ist sich unschlüssig. Aber viel Zeit bliebe ihm nicht, und so schwer sei das nicht, würde ich ihm sagen, zumindest verloben könnte er sich noch, also los. Hop, hop. Dann würden wir noch „Wish you were here“ auf Gitarre spielen. Er würde zupfen, ich strummen und singen.

Wenn ich weitere 5 Minuten hätte würde ich zum See fahren. Von der Eisdiele zum See sind es exakt 5 Minuten. 5 Minuten weniger als mit dem Transrapid vom Hauptbahnhof zum Flughafen.

Bei weiteren 5 Minuten würde ich in den See springen und fühlen, wie das so ist, Wasser auf der Haut, schwerelos ohne Bodenkontakt, Sonne im Gesicht, Vogelgesang im Ohr, Kinderlachen in der Ferne, eine Libelle, die vorbei schwebt, ein Flugzeug, das vorbei fliegt, ein Marienkäfer, der auf meinem Knie landet, nachdem ich im Gras trockne, dessen Punkte ich noch einmal zähle. 18,19,20.

Bei weiteren 5 Minuten würde ich mir ein Bier am Kiosk holen und einen der Umstehenden um eine Zigarette bitten. Falls er/sie meint, rauchen sei nicht gut für mich, würde ich sagen:
„Du weißt aber schon, dass in 5 Minuten die Welt untergeht.“
Dann würde ich ihm/ihr ein, zwei Fragen stellen und einfach nochmal gut zuhören:
Wenn jetzt nicht hier, mit einem Fremden am See, wo wäre er/sie dann? Was würde er/sie gern noch machen? In den letzten 5 Minuten des Lebens?

Vielleicht wäre die Antwort: am Meer, auf einem Berg, im Kino, beim Konzert, mit dem Hund noch einmal Gassi, die Katze noch mal streicheln, in ihren oder seinen Armen liegen, fliegen.
Oder vielleicht auch: Ach, 5 Minuten sind doch viel zu kurz, um noch irgendetwas zu machen.

Aber nicht doch. Nein, nein, nein, würde ich widersprechen. In 5 Minuten steckt so viel. 5 Minuten Teilen, Verweilen, Lachen, Entscheiden, Erkennen und Fühlen, ganz bewusst, so als ob es das letzte Mal wäre, da steckt ein ganzes Leben drin.

Und bei weiteren 5 Minuten würde ich diese Erkenntnis aufschreiben. Ich würde all das aufschreiben, was ich in der letzten halben Stunde, den letzten 6 x 5 Minuten erlebt habe, damit es vielleicht jemand anderes schnell noch liest, wenn er mal kurz 5 Minuten hat.

Jedes Mal, wenn er dann in Zukunft abgelenkt wird, kann er sich daran erinnern. Und sich überlegen, was er machen würde, wenn er nur noch 5 Minuten hätte.
Würde er das, was er gerade macht, weiter tun, oder vielleicht doch etwas ganz anderes? Klar. 5 Minuten sind nur 5 Minuten. Aber 5 Minuten ganz oft aneinander gereiht sind ein ganzes Leben. Und vielleicht ist es gerade jetzt an der Zeit für eine komplett neue Collage. Tick, tack.

Was würdest du in den letzten 5 Minuten machen? Schreib es mir, wenn du magst. Und kennst du die Interpretation des Lieds von Rob Dickinson von Billie Eilish? Hier. Sie ist großartig. Die hat mich auch zum Text inspiriert. Aber ich fand 5 Minuten schon immer magisch und habe in der Zeit, als ich keine Zeit zum Schreiben hatte, öfter einfach nur irgendwo 5 Minuten geschrieben. Die Texte dazu findest du hier. Und jetzt guten Rutsch und bis zum nächsten Jahr.

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