Sofern ich weiß hat der amerikanische Comedian Marc Maron mal gemeint, dass er ein ziemlich wütender Mensch sei. Durch seine Wutausbrüche habe er in seinem Leben schon vieles zerstört – Karriere, Ehe, Freundschaften.
Reue spüre er dabei erst, wenn alles in Trümmern liege und die Zeit für Entschuldigungen längst vorbei sei. In seinen Worten vergehe zwischen dem „Fuck you“ und dem „I´m sorry“ immer eine halbe Ewigkeit, doch eines habe er mit den Jahren gelernt: die Ewigkeit zu verkürzen.
Mittlerweile könne er ganz gut auf das „Fuck You“ ein „I´m sorry“ folgen lassen. Und manchmal, da gehe das „Fuck“ unmittelbar ins „Sorry“ über, so dass er gleich „Fucksorry“ sage.
Meine Frau und ich lieben uns ziemlich heftig, aber manchmal, da streiten wir uns auch sehr famos.
Das liegt schon auch an unseren Töchtern. Neulich war es so schlimm, dass meine Frau meinte, dass nicht wie laut Sartre, die Hölle die anderen sind, sondern die Hölle, das sind die Kinder. Ich nickte ohne zu widersprechen.
Nicht, dass irgendwelche Missverständnisse auftreten. Wir lieben unsere Kinder und haben uns bewusst für sie entschieden. Für uns sind sie der Himmel auf Erden und wir genießen die meisten Momente mit ihnen.
Aber früher, also ohne Kinder, sind meine Frau und ich uns höchstens beim Kuscheln auf der Couch in die Haare geraten. Wenn wir mies drauf waren, haben wir den anderen einfach in Ruhe gelassen, sind in ein anderes Zimmer und gut war. Heute ist in jedem Zimmer ein Kind und Ruhe nirgends.
Das zerrt an Nerven und Laune, vor allem, da man ja auch ständig müde ist. Wenn man nicht schläft, das Baby weint, das Kleinkind quengelt und das Nougatgläschen auch schon wieder leer ist, erreichst du irgendwann den Punkt, an dem sich das „Ich“ vollkommen auflöst und dem geplagten „Es“ die Bühne frei macht. Flugs folgt ein „Fuck you“ auf das Nächste, ohne dass ein „I´m sorry“ um die Ecke biegt.
Zugegeben, das liegt schon auch an meiner Frau und mir. Denn Kinder hin oder her, wir sind einfach zwei sture Böcke ohne gepflegte Streitkultur. Wenn ich mit Fakten komme, kommt meine Frau damit, dass ich ein Wilder sei und in den Wald gehöre. Und wenn meine Frau mit Fakten kommt, sage ich zu ihr, dass sie wie ein Huhn sei, dass immerzu das gleiche Korn pickt. Mit dem Unterschied, dass das Korn mein Hirn ist – und längst zerpickt.
Und so pickt das Huhn auf dem Kopf des schreienden Wilden im Wald und unsere Kinder, gut das Baby denkt wahrscheinlich noch nicht so viel, aber die Große, die denkt sich wahrscheinlich: „Die Hölle, das sind nicht die anderen, die Hölle, das sind die Eltern.“
Ich glaube, meine Frau und ich reagieren so heftig aufeinander, weil wir eben so heftig aufeinander reagieren – in guten wie in schlechten Zeiten. Weil das Gegenteil von Liebe ja auch niemals Hass, sondern stets Gleichgültigkeit ist. Weil wir uns aber nie gleichgültig sind, reagieren wir eben auch nie gleichgültig aufeinander, sondern immer ziemlich famos und sehr heftig.
Wie zwei verfeindete Koalabären bewerfen wir uns dabei mit faulen Eukalyptusblättern, bis einer weint. Und das ist ein ungeschriebenes Gesetz in unserer Familie: Einer weint immer. Das Baby, das Kind, die Mutter und ja, bisweilen auch die Katze und ich. Meistens weinen wir sogar alle fünf zusammen, während dabei die Nachbarn von draußen mit Popcorn in der Hand zuschauen.
In solchen Momenten denken wir schon auch, dass wir dass wohl nie hinkriegen werden, mit der Harmonie, dem Frieden und dem Eierkuchen. Aber so ganz stimmt das dann auch nicht. Denn eine Sache kriegen wir jetzt viel besser hin als früher: Die Versöhnung.
Gestern zum Beispiel hat es gerade mal zwei Stunden gedauert bis auf die unzähligen „Fuck you“ das „I´m sorry“ gefolgt ist.
Und eines Tages, da bin ich sicher, wird das „Fuck you“ unmittelbar in das „I´m sorry“ münden, was dann zu einem „You I am“ werden wird. Spätestens da werden wir erkennen, dass Ich Du bin, Du Ich und Es uns mal kann. Denn die Hölle, die sind wir alle. Der Himmel aber auch.