In letzter Zeit fühle ich mich nicht richtig beachtet in Deutschland. Niemand diskriminiert mich. Allen bin ich egal.
Die deutschen Medien und Menschen hetzen gegen Muslime, Juden und Griechen, aber bei uns Kroaten heißt es immer ganz verträumt:
“Oh, Sie kommen aus Kroatien? Da fahren wir diesen Sommer in den Urlaub. Da gibt es lecker Essen, schönes Wetter, hübsche Menchen. Nur beim Fußball, da solltet ihr nicht so viel foulen.“
Das macht mich echt fertig. Denn erstens foulen wir beim Fußball gar nicht so viel, sondern die Gegner fallen einfach leicht um, und zweitens fühle ich mich so ziemlich gewöhnlich. In meiner Kindheit war das anders. Besser. Da waren die Deutschen gegenüber Kroaten noch nicht so politisch korrekt. Skeptisch wurde ich damals als Fremder pikiert und fälschlicherweise als Jugo bezeichnet. Jugo Betrügo. Mein Ego jubilierte.
In der Schule wollte niemand neben mir sitzen.
„Nur, weil ich Ausländer bin“, sagte ich stolz zu meinem Bruder. „Nein, du Depp, sondern weil du nach Zwiebeln und Ajvar stinkst“, sagte er.
Das machte mich glücklich. Ich stank und das war gut so. Meine Eltern hatten ein kroatisches Restaurant und ich aß den ganzen Tag Zwiebeln und Ajvar. Dadurch diskriminierten mich meine Mitschüler und ich fühlte mich als etwas Besonderes. Jeder Mensch will sich schließlich als in seinem Leben als etwas Besonderes fühlen. Egal, zu welchem Geruch. Oder anders gesagt, rieche es, was es wolle.
Aber heute? Heute esse ich weniger Zwiebeln und fast nie Ajvar. Und als voll integrierter Ausländer, der sogar halbwegs die Kommaregeln beherrscht, behandeln mich die Deutschen mittlerweile wie ihresgleichen. Sie ignorieren mich einfach und sind mir gegenüber genauso unfreundlich wie zu ihresgleichen. Ja, sie kaufen mir nicht einmal ab, ich würde ihnen ihren Arbeitsplatz wegnehmen: „Was du? Geh weiter, du Batzi. Hier hast a Fünfer. Kauf dir ein anständiges T-Shirt.“
Manchmal spreche ich bewusst gebrochen Deutsch, so mit Akzent, damit mal wieder eine kleine Beleidigung rausspringt:
“Wie komme ich Innenstadt, bitte?”, frage ich Leute.
Aber die sprechen dann einfach gebrochen zurück:
“Musst du fahren U3 bis Marienplatz, dann rauf Treppe, die rollt.”
Wenn meine Frau und ich einkaufen gehen, frage ich sie, ob sie mit den Tüten nicht fünf Meter vor mir gehen und ich ihr von hinten „schneller“ rufen kann – auf Kroatisch.
„Vielleicht ernte ich so den ein oder anderen abwertenden Blick oder rassistischen Spruch“, erkläre ich ihr die Idee dahinter.
„Das können wir gerne machen, Liebster“, sagt meine Frau dann immer, „aber nur, wenn du die Tüten fünf Meter vor mir trägst und ich schneller rufe – auf Deutsch.“
Fuck it. Wie soll auf die Art ein anständiges Ressentiment entstehen? Einmal, einmal möchte ich mich in Deutschland nicht willkommen fühlen. Einmal nur ein: „Hau ab, du scheiß Kroate“ oder „Geh Balkan und bleib dort“ oder „Du weißt schon, dass du hier nur zu Gast bist.“ Aber nichts da. Hier herrscht völliges Desinteresse gegenüber meinem Fremdsein.
Jetzt habe ich mir überlegt, dem Interesse nachzuhelfen und das Abendland ein wenig zu kroatisieren. Ich will mich mit einer Spraydose bewaffnen, um aus der Post eine Postić, aus der Polizei eine Polizeiitsch und aus der Apotheke eine Apothekowitschitschitsch zu machen. Nach kurzem Überlegen habe ich es mir aber doch anders überlegt.
Zum einen bin ich viel zu faul für solche Aktionen und zum anderen fühle ich mich hier richtig wohl. Das Gesetz brechen sollen ruhig die anderen “stinkenden” Ausländer. Und überhaupt: spätestens, wenn den Kroaten die Euros* ausgehen und unser Finanzminister mit seinem Mittelfinger gen Germania winkt, werde ich meine lang ersehnte Diskriminierung schon noch erhalten. Deutscheland, ich liebe du.
* Ich weiß, dass die Mehrzahl von “Euro” “Euro” ist, aber “Euros” klingt irgendwie wie “Eros” und damit sexy.