Neulich ist mir schmerzlich klar geworden, dass ich meine Tochter nie richtig beschützen werde. Gut, vielleicht vor den Enten im Park, aber nicht vor der schlimmsten Gefahr, die da draußen auf sie lauert: Männer.
Unsere Tochter ist recht groß für ihr Alter und von mir hat sie das nicht. 175 cm, ok, 173 cm ist jetzt nicht gerade die Größe, mit der man den Titel „Größter Mann der Welt“ gewinnt. Damit gewinnt man vielleicht gerade mal so den Titel „Größter Mann auf dem Spielplatz“. Aber nur, falls alle anderen Väter arbeiten und die spielenden Jungs unter sechs Jahre sind.
Die werden ja auch alle immer größer und größer. Und heutzutage geht keiner von denen wie ich meinerzeit in die Bücherei, um TKKG zu lesen. Das können die heutzutage wahrscheinlich nicht einmal mehr buchstabieren.
Die kleinen Arnolde und Jean Claudes gehen in die Muckibude zum Pumpen. „Pumpen“ können sie wahrscheinlich auch nicht buchstabieren, aber wer braucht schon das Alphabet, wenn er dir auf die Fresse hauen kann.
Harte Zeiten brechen für kleine Männer wie mich an. Erst recht, wenn die Tochter aller Berechnung nach riesig wird. 1,80 cm oder mehr. Bei der Körpergröße wird sie bestimmt keine Zwerge daten wie ihre Mutter. Mir graut jetzt schon vor den Datingpartnern meiner Tochter.
Mit gleich großen Muskelprotzen könnte ich ja noch umgehen. Die würde ich einfach verbal einschüchtern.
„Du willst also meine Tochter ausführen?“
„Ja, Herr Tabula.“
„Dann buchstabier mir erstmal TKKG.“
Wenn sie es schaffen, werde ich sie warnen. Falls sie sich nicht anständig benehmen, wird ihnen meine Tochter in die Hoden treten. Wenn sie mich fragen, was Hoden sind und ich es ihnen erkläre, werden sie „oh“ rufen. Manch einer wird vielleicht erwidern:
„Ich habe gar keine Hoden, Herr Tabula, ich habe jetzt Anabolika“, aber das ist kein Problem, dann kann er meine Tochter ruhig daten.
Aber meine Tochter wird keine Knilche nach Hause bringen. Sie wird auf große Typen stehen. So wie alle Frauen. Außer ihre Mama. Was mache ich, wenn so ein Riesenkerl vor der Haustür steht? Ich werde aufgeschmissen sein.
„Sie wollen also meine Tochter ausführen?“
„Ja. Was dagegen, Knirps?“
„Nein, äh, viel Spaß. Hier haben sie 50 Euro. Bitte schlagen sie mich nicht.“
„Geben sie mir 100 und ich überleg es mir.“
„Ok, aber nur wenn du, ich meine sie TKKG buchstabieren.“
Spätestens da wird es sich rächen, dass ich einer von diesen modernen Männern geworden bin. Einer, der Versmaße übt statt Liegestütze zu machen. Einer, der über alles reden will statt stundenlang mit anderen Männern zu schweigen. Einer, der Gefühle zeigt statt sie in Alcopops zu ertränken. Einer, der Pflegeprodukte für die sensible Männerhaut kauft. Und Kerzen anmacht, wenn er sich in die Badewanne legt, um von einem stressigen Shopping-Tag zu entspannen. Ach, du Schande.
„Papa, der Typ hat mich belästigt.“
„Welcher war es, Schatz?“
„Der Große da hinten.“
„Dann lass uns schnell abhauen, bevor er auch noch mich belästigt.“
Das Schlimmste ist, meine Tochter spürt bereits, dass ich schwach bin und sie nicht beschützen kann. Wenn ein Hund sie anbellt, versteckt sie sich nicht hinter mir, sondern hinter der Mama. Im Schwimmbad hält sie sich an der Mama fest.
„Sie will ja nicht ertrinken“, erklärt mir meine Frau den Grund und tief in meinem Inneren verstehe ich es. Ich würde mich selbst nicht an mir fest halten, um mich vor dem Ertrinken zu schützen.
Vielleicht aber an meiner Frau. Sie ist nämlich der starke Part in unserer Familie.
Sie wird unsere Tochter und mich beschützen.
„Mama, der Typ hat mich und Papa belästigt.“
„Welcher war es, Schatz?“
„Der Große da hinten.“
„Dem werde ich aber in die Eier treten.“
Meine Liebste kennt da nichts. Sie sagt „Eier“ statt „Hoden“. Und sie wird die Arme hochkrempeln und losmarschieren. Wenn es um die Sicherheit ihrer Familie geht, legt meine Frau eine Entschlossenheit an den Tag wie Putin bei der Eroberung der Ukraine. Dabei ist sie zwei Centimeter kleiner als ich und um einiges zierlicher.
So blicke ich gelassen in die Zukunft. Sollen die testosteronschwangeren Riesen ruhig kommen, meine Mädchen werden sie in ihre Schranken weisen.
Und bei manchen Gefahren bin ich ja auch noch da. Neulich spazierten wir zu dritt durch den englischen Garten und eine hungrige Gans hat unsere Tochter attackiert. Da hat sie sich hinter mir versteckt. Das erste Mal bei Gefahr. Eine Gans traut sie mir also zu, dachte ich glücklich und wurde mutig.
„TKKG“ schrie ich die Gans an und klammerte mich an an den Rücken meiner Frau, die vor mir stand.
Als sie das Federvieh mit einem gekonnten Roundhouskick in den Kleinhesseloher See beförderte, wurde mir klar: du musst als Mann nicht groß sein, wenn du eine großartige Frau an deiner Seite hast, hinter der du dich verstecken kannst. Und buchstabieren zu können ist auch nicht verkehrt
Ist schön, wenn man sich so ergänzen kann. Wenn man(n) den Starken markiert, aber nicht stark ist, dann ist das eh nicht glaubwürdig. Glg, franziska
Danke für deinen Kommentar, Franziska. Das sehe ich genauso. VG Mate
Danke für diese herrliche Geschichte. Ein Hoch auf TKKG (und die starken Frauen, natürlich). Lieber Gruss