Wie gut bist du, wenn du schlecht bist?

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Natürlich könnte ich euch von meinem coolen Auftritt vor zwei Wochen auf dem Isarslam im Ampere berichten. Nach der Veranstaltung kam sogar einer zu mir und sagte, „Mate, du warst großartig. Ich hätte dich gewinnen lassen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu, „Und ich will ein Kind von dir.“

Aber schon viel schlauere Frauen als ich je eine sein werde, sagten mal, dass man mehr von seinen Niederlagen lerne als von seinen Siegen. Eine ganz besonders Schlaue sagte sogar mal: „Die Frage ist nicht, wie gut du bist, wenn du gut bist, sondern, wie gut du bist, wenn du schlecht bist.“

So erzähle ich euch von Samstagabend – meinem Auftritt bei der Kiezmeisterschaft.

Eigentlich fühlte ich mich den ganzen Tag total geschmeidig. War bereit, glaubte an meinen Text, an mich und mein Talent. Mein Urin versprach mir, dass es flüssig laufen würde. Der F.C. Bayern hatte gewonnen, Mario Mandzukic ein Tor geschossen. Beste Vorraussetzungen, dachte ich, die fünf Minuten auf der Bühne locker über die Bühne zu bringen. Denkste.

Der junge Poet vor mir war echt super. Er erzählte davon, wie man versuchen solle, das Gegenteil von dem zu machen, was von einem erwartet werde, zum Beispiel nett zum Deutsche Bahn Schalterbeamten zu sein, Steine neben den Teich zu werfen anstatt rein und so weiter. Sein Text war gereimt, auswendig vorgetragen und mit tollen Metaphern gespickt. Respekt dafür. Für sein Alter war er richtig erfahren auf der Bühne, die Ruhe in Person, der Dalai Lama des Scheinwerferlichts, der Wladimir Klitschko des Slam.

Als ich nach ihm ans Mikro trat, sagte ich zunächst:
„Vielen Dank für den Applaus. Ihr seid ein großartiges Publikum“, und fügte hinzu, dass ich aus Prinzip keine Steine in Teiche werfe. Weil ich nämlich Angst hätte, irgendeine Forelle damit am Kopf zu treffen. Verhaltene Reaktionen. Neuer Versuch.

„Ich möchte euch von einem Verbrechen erzählen, und nein es handelt sich nicht, wie meine Freundin jetzt denkt, von dem Verbrechen, keine neue Klopapierrolle zu holen, wenn die alte aufgebracht ist. “ Kaum Regung. Scheiße.

Das Wichtigste für einen gelungen Auftritt ist immer, in den ersten Sekunden eine Verbindung zum Publikum herzustellen, doch in meinem Fall, an diesem Abend zumindest, war da irgendwie besetzt. Keine Connection unter dieser Nummer. Sorry, the joke you told ist temporarly not funny at all.

„You´re not funny at all“, suggerierte mir die rechte Seite meines Gehirns. Lass es, du Looser, geh schön wieder an die Kasse des Kaufhofs und scanne Römertöpfe.
Mein Körper schüttete eine Ladung Adrenalin aus, mein rechtes Bein begann zu zittern.
Keine gute Vorraussetzung, um mit der eigentlichen Geschichte, „Dirks Dirt Bike“ zu beginnen.

Doch die Zeit lief und ich konnte ja schlecht sagen, „In Ordnung, Leute, sorry, heute war das wohl nichts. Schönen Abend noch und viel Spaß mit den anderen Slammern. Ich muss heim, neues Klopapier besorgen, rasieren, an meinen Einstiegsgags feilen und so weiter.“

Der Vorteil eines Storytellers auf der Bühne ist, dass er im Gegensatz zu den Lyrikern seinen Text meist vom Blatt abliest. Das tat ich dann auch.

Nach dem ersten Absatz dachte ich, hm, hier müsste der erste Lacher kommen, aber nichts geschah. Nach dem zweiten dachte ich, hm, hier müsste der zweite und dritte folgen, jetzt hier an dieser Stelle, genau hier verdammt, da muss es die Leute doch zerreißen. Das letzte Mal war es doch auch so, warum nicht jetzt, was ist da nur los heute?
Aber das letzte Mal war nicht heute und der Text war auch ein anderer.

Während ich so mitten in der Geschichte war, trat ich zur Seite und dachte darüber nach, wie mich das Publikum das letzte Mal auf Händen ins Ziel getragen, mir zugejubelt und Tränen gelacht hatte. Links, rechts, über und unter mir – wo ich auch hinsah, Liebe. Dieses Mal das genaue Gegenteil. Es lachte keiner und ich eroberte auch keine Herzen.

Erneut dachte ich ernsthaft darüber nach, aufzugeben, dass weiße Blatt zu schwenken und mich geschlagen zu geben.
„Ok, Freunde, ihr habt gewonnen. Ihr habt jemand Besseres auf der Bühne verdient als mich. Ich mache Platz für den nächsten Poeten. Bis bald dann an der Haushaltskasse in eurer Galeria Kaufhof.“

Ich tat es nicht und zog den Auftritt durch. Satz für Satz kämpfte ich mich bis zum Ende. Bis zur Schlusspointe. Mit fester Stimme und klarer Aussprache. Dabei heimste ich doch noch den ein oder anderen Lacher ein.

Mit einem mittelprächtigen Applaus wurde ich von der Bühne verabschiedet. Das Urteil der Jury war vernichtend. Dieter Bohlen wäre gütiger gewesen. Der Bachelor hätte mir ein Mitleidsvergissmeinnicht geschenkt. Aber die fünf ausgewählten Zuschauer hatten weder Blumen noch Re-Call-Zettel für mich. Ich bekam die schlechteste Wertung bis dahin und so blieb es auch bis zum Ende.

Doch meine Freundin, auch eine sehr schlaue Frau, zeigte mir, worauf es wirklich ankam und warum auch dieser Auftritt wichtig war.

Sie blickte mich mit stolzen Augen an.
„Du warst super, Liebster“
„Warum das denn? Ich war doch der Schlechteste.“
„Warst du nicht.“
„Aber die Leute sind gar nicht mitgegangen.“
„Das macht nichts. Das Wichtigste ist, dass du wieder aufgetreten bist und es auch dann durchgezogen hast, als das Publikum dich nicht getragen hat.“

Sie hat recht, dachte ich und sagte, „Ich liebe dich.“
Nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu, „Und Ich will noch ein Kind von dir.“ Dann gingen wir nach Hause zum Üben. Vorher aber bestückte ich den Klorollenhalter mit einer frischen Rolle Klopapier. Man kann ja nie wissen, wie es läuft. Und das ist auch gut so.

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