Am Samstag fuhren wir zum Rafting. Nach Schneuzelreuth oder so. Das ist an der deutsch-österreichischen Grenze in der Nähe der Salzach. Der Fluß, an dem unser Abenteuer abfließen sollte.
Wir waren zu siebt und fuhren in zwei Autos dorthin. In unserem hörten wir das Genuschel von Udo Lindenberg („Als ich noch ein junger Mann…“) und unterhielten uns über den neuesten Tratsch. Wer wen geschwängert hatte, wer wen verlassen wollte, wer wen verlassen sollte. Das Leben war wie eine Bootsfahrt mit ständig wechselnden Gefährten, dachte ich. Menschen stiegen ein, Menschen stiegen aus.
„Lies das Buch Das Cafe am Rande der Welt.“, sagte ein Freund während der Fahrt und erzählte die Geschichte vom Indianer und Geschäftsmann.* Das verkürzte uns die Fahrtzeit.
In Schnitzelhausen angekommen durften wir uns in eklig nasse und enge Neoprenanzüge pressen, ein Reisebus brachte uns zum Fluß. „Kennt ihr den Film, wo sie alle in ein Boot steigen, um eine Rafting-Tour zu machen und keiner von ihnen die Fahrt überlebt?“, fragte ich ihm Scherz, meinte es aber gleichzeitig ernst. Ich war wirklich kein Adrenalin-Abhängiger. Meinen Kick bekam ich schon, wenn ich die volle Windel meiner kleinen Tochter wechselte. Abenteuer pur und mehr, sag ich euch.
Jedenfalls sagte Papa Schlumpf, unser Bootsführer: „Wenn ihr zum Ufer schwimmt, dann immer quer gegen die Strömung.“ Das gefiel mir. Ich ließ mich nicht gern fortreißen. Schon gar nicht, wenn das Wasser so klitzeklein wie an diesem Tag war.
Damit wir im Takt paddelten, sollten wir uns einen Schlachtruf überlegen, aber bitte nicht „hepp, hepp, hepp“, weil den alle schrien, meinte Papa Schlumpf. Wie alle wollten wir nicht sein und entschieden uns für „Jupp, Jupp, Jupp“. Weil „Pep, Pep, Pep“, unsere erste Idee, noch absolut nichts gewonnen hatte in dieser Saison.
Und los gings. „Jupp, Jupp, Jupp.“ „Alle vorwärts“, schrie Papa Schlumpf, der eigentlich Basti hieß, aber weil wir immer fragten, wie lange noch, Papa Schlumpf, wurde er von uns umbenannt. Wir paddelten vorwärts. „Rechts rückwärts!“, schrie Papa Schlumpf und alle paddelten rückwärts. „Recht rückwärts, hab ich gesagt!“, schrie er und das „Ihr Idioten“ dachte ich mir dazu. Die linke Bootsseite paddelte wieder vorwärts.
Manchmal verstanden wir einfach seine Befehle nicht. Vielleicht weil wir in unserer Freizeit keine Befehle ausführen wollten. Vielleicht, weil die Strömung so heftig in unseren Köpfen rauschte. Vielleicht, weil das „Jupp“ aus unseren Kehlen alles übertönte.
Niemand kommt an der gleichen Stelle wieder raus
Wir hielten an. „Jungs, so geht das nicht. Entweder ihr zieht alle mit oder wir lassen es bleiben. So macht es keinen Spaß.“, sagte Basti und erzählte uns die Geschichte vom Deutsche Bank Manager und seinen Mitarbeitern.
Der Manager weigerte sich mitzupaddeln und so ließ Basti dessen Bootsseite absichtlich gegen Felsen schrammen. Ganz leicht und ungefährlich, aber doch so, dass der Manager nass und stinkig wurde. „Wenn alle mitmachen, passiert das nicht“, sagte Basti in die Runde, doch der feine Manager war zu stolz, um zu menscheln. Er legte das Paddel zur Seite und setze sich für den Rest der Fahrt in die Bootsmitte.
Niemand von uns wollte so ein Arschloch sein. Also legten wir uns ins Zeug und begriffen, es klappte besser, wenn man zusammenhielt. „Jupp, Jupp, Jupp.“ Alle im Gleichklang.
„Jupp, Jupp, Jupp.“ Es klappte so gut, dass Papa Schlumpf uns fragte, ob wir eine Steinwand frontal rammen wollten. Das erinnerte mich an…(kleiner Insider für die Jungs). Natürlich wollten wir. Volle Kraft voraus. Und Bumm.
Ich rutschte aus der Fußsohle und fiel mit einem Rückwärtssalto in die Salzach. Die Strömung entfernte mich vom Boot, Panik und Flusswasser breiteten sich in meinem Inneren aus. Ich dachte an den Film, wo alle in ein Boot steigen, um eine Rafting-Tour zu machen, und alle bis auf den einen die Fahrt überleben. Ich bekam Angst und hätte alles getauscht für eine volle Windel meiner Kleinen.
Doch volle Pampers gingen unter und gute Freunde konnte keine Strömung trennen. Einer reichte mir sein Paddel, das ich griff. Zwei andere zogen mich an der Schwimmweste hinauf ins Boot. Wenn man vertraut, kann wenig schief gehen, dachte ich.
Und so ging es weiter fröhlich den Fluss abwärts. Papa Schlumpf, Jupp, ein paar Gedanken an verschiedene Mütter und wir gegen die Strömung, die wir nicht aufhalten konnten. Aber wir entschieden, welchen Weg sie uns zog. Links oder rechts, schnell oder langsam. Grasende Kühe am Uferrand beobachteten das Geschehen. Sieben Idioten und Papa Schlumpf dachte die eine, aber was wusste sie schon. Selbstreflexive Gedanken waren nicht gerade die Stärken einer Kuh.
Glücklich und erschöpft erreichten wir das Ziel. Auf der Rückfahrt sang Udo, dass er sein Ding machte und genau das wollte ich auch weiterhin tun. Auch wenn mir das Paddeln gegen die Strömung manchmal weh tat und ich Angst hatte, unterzugehen, bewies mir der heutige Tag, dass es sich lohnte, durchzuhalten. Vor allem, wenn man Menschen hatte, die einen hochzogen, wenn man drohte, zu ertrinken. Danke dafür, Freunde.
* Der Indianer und der Geschäftsmann
Ein Indianer saß an einem Fluß und angelte. Da kam ein Geschäftsmann dazu.
„Was machst du da?“, fragte der Geschäftsmann.
„Ich sitze am Fluß und angle“, antwortete der Indianer.
„Warum nimmst du nicht eine zweite Angel?“
„Warum sollte ich das machen?“
„Damit du mehr Fische fängst und mehr Geld verdienst. Dann könntest du dir ein Boot kaufen.“
„Warum sollte ich das machen?“
„Damit du noch mehr Geld verdienst und einen Mitarbeiter einstellst.“
„Warum sollte ich das machen?“
„Damit du dir eine Fischfabrik kaufst und noch mehr Geld verdienst.“
„Warum sollte ich das machen?“, fragte der Indianer.
„Damit du Zeit hast, am Fluß zu sitzen und zu angeln.“, sagte der Geschäftsmann.
„Aber das tue ich doch jetzt schon“, sagte der Indianer und blickte weiter auf den Fluß.