„Koks und Nutten sind für mich eindeutig ein Trennungsgrund“, sagte meine Freundin, während unsere kleine Tochter an ihrem Busen hing. „Für mich natürlich auch“, sagte ich und zog mir ein frisches Polohemd an.
Wir sprachen über die Affäre Michel Friedmann, im Milieu besser bekannt als Paul Pinkel. Der Kerl hat systematisch über Wochen seine Bärbel betrogen.
„Das würde ich niemals machen, Liebste. Bei mir wäre das schon eher eine einmalige Angelegenheit. Alleine schon wegen den Kosten“, sagte ich und besprühte mich ein wenig mit Parfüm.
Mein Cousin aus Kroatien war zu Besuch. Zusammen mit meinem Bruder wollten wir heute ausgehen.
„Du weißt schon, wenn du das machst, schneid ich dir deinen Schlumpf ab“, sagte sie ganz nebenbei und stillte in aller Ruhe weiter das Baby. Ich schluckte und vergewisserte mich, ob alles noch dran war.
„Aber bisschen nackte Frauen tanzen sehen ist ok, oder?“
„Gerade so im Grenzbereich, mein Liebster.“, sagte sie und wandte sich zur Kleinen. „Dein Papa geht heut nackte Frauen begaffen. Ist das nicht toll, Prinzessin Pampers?“
Das gefiel mir gar nicht, wenn sie mich so vor der Kleinen diskreditierte. Andererseits, sie hatte Recht. Genau das war der Plan.
Mein Cousin aus Kroatien wünschte sich zum Abschluss seines Familientrips nach München einen Besuch im Strip-Club. Schweren Herzens wollten mein Bruder und ich ihm diesen Wunsch erfüllen. Doch vorher ging es in den Irish Pub. Das Kilians. Noch ein wenig falsche Männlichkeit antrinken.
„Die deutschen Touris sagen immer, dass Kroatien so teuer ist. Das ist aber Unsinn.“, sagte mein Cousin im Pub. Von Leberwurst zu Zoobesuch – hier koste alles mehr. Selbst fürs Pinkeln müsse man hier zahlen und bei drei kleinen Kindern und einer Frau mit schwacher Blase ginge das ganz schön ans Geld. Er überlegte, ob man nicht eine Tageskarte für Toiletten anbieten könnte. So etwas wie die Partner Pinkel Karte XXL – Erleichterung für zwei Erwachsene und bis zu fünf Kinder.
„Jedenfalls, wenn ich zurückkomme, eröffne ich auch so einen Laden.“ Mein Cousin meinte das Pub. „Nur das da alles deutsch sein wird. Deutsches Essen, Deutsche Getränke, Bedienungen, die nur deutsch sprechen, Livebands, die nur deutsche Lieder singen und vor allem eine Karte, die nur aus deutschen Preisen besteht.“
Auf der Bühne sang eine in Würdelosigkeit gealterte Frau „Wonderwall“ von Oasis. Neben uns an der Bar saßen zwei junge, recht hübsch aufgetusste Blondinen, die immer wieder in unsere Richtung blickten. Ich fühlte mich geschmeichelt. Suchten sie einen Sponsor für den Abend?
Da beugte sich die kleinere von den Beiden und flüsterte meinem Cousin etwas ins Ohr. Er verstand nicht so recht. Er konnte kein Deutsch. Sie schaute mich an und spitzte die Lippen. Nicht ihr ernst, oder? Ging es da um mich? Das letzte Mal, dass ich angemacht wurde, war vor zehn Jahren. Drei Jugendliche am Germeringer Bahnhof hatten damals ein Problem mit mir.
Sie sagte: „Sag mal, kannst du dem süßen Typen links neben dir fragen, ob er sich zu uns setzt?“ Boah, wie gemein. Du Fo… oder Ähnliches lag mir bereits auf den Lippen, aber ich überwand mein gekränktes Ego und blieb diplomatisch.
„Ja, aber nur, wenn du und deine Freundin euch mit meinem dicken Cousin fotografieren lasst.“
Sie nickte wie selbstverständlich
Zwei Fotos, ein Platztausch und drei Runden Jameson später, in der Zwischenzeit (Achtung, langer Satz in bewährter Thomas-Mann-Tradtion, tapfer sein!) belästigte uns ein durchgedrehter Krankenpfleger, der durchgedrehte Patienten betreute und einen Harlekin auf seinem Hals tätowiert hatte, wir sollten ihm noch ein Helles ausgeben, nachdem wir ihm schon einen Whyskey ausgegeben hatten, den er auch wie nix runtergezischt hatte, obwohl er Whiskey hasste, verabschiedeten wir uns von dem Clown und allen anderen und zogen weiter in den Keller des bayerischen Hofes. Kurzer Zwischenstopp im keine Ahnung wie der Laden hieß, aber mein Bruder wusste Bescheid.
Im Inneren sah es karibisch aus, die Barmänner arbeiteten in geschmacklosen Hawaii-Hemden, an den Preisen konnte man sich verbrennen.
An einem Tisch saß ein unvorteilhaft aussehender Endvierziger mit drei jungen afrikanischen Perlen, von denen eine schöner als die andere war. So wie der aussieht muss der Kerl ganz schön Charme haben, dachte ich und trank einen Schluck Pils.
„Nutten!“, sagte mein Bruder, während mein Cousin um den Tisch der vier schlich. Wie ein hungriger Löwe um Antilopen, die er sich finanziell nicht leisten konnte. Geschweige den wollte.
Nutten, dachte ich und hielt Ausschau nach dem Koks. Wenn ich das fand, durfte Paul Pinkel auch nicht weit sein. Oder nannte der sich mittlerweile Ronnie Rosette?
Der Raum mit der Tanzfläche war bis September geschlossen und so fuhren wir weiter zum Hauptbahnhof ins „Boobs“. Laut Werbebotschaft „Munichs finest Gentleman´s Club“.
„Munichs drunkest Monkey Club“ hätte es schon eher getroffen.
Natürlich diskutierten wir erst kurz mit dem Türsteher, der uns zunächst nicht reinlassen wollte, weil mein Bruder um den Eintritt feilschte. Nachdem sich Goran aber als unser Landsmann erwies, waren alle Verständnisprobleme beseitigt und wir stiegen rauf ins vermeintliche Paradies. Von Jungfrauen weit und breit keine Spur.
In meiner Vorstellung war ein Stripclub immer so wie das „Bada Bing“ aus meiner Lieblingsserie „Die Sopranos“. Eine dunkle Spelunke in einer geräumigen Lagerhalle, mit Logen und Separees, einer riesigen Tanzfläche, rundherum mit Spiegeln bestückt, drei, vier Stangen in der Mitte, drei, vier Mafiosi an der Bar.
Kein Privat Dance für Sören Schlumpf
Das „Boobs“ dagegen wirkte wie ein viel zu eng gebauter Hühnerkäfig. Die Hennen saßen in einer Reihe auf Ledersesseln und begafften gelangweilt die herein tretenden Hähne, die wiederum leicht geil zurückgafften. Auf der viel zu kleinen Tanzfläche, die nur an der Rückwand von Spiegeln reflektiert wurde, rekelten sich stets zwei halbnackte Tänzerinnen zur gleichen Zeit. Ihre Schönheit reichte meist nur von den Zehen bis zum Hals. Ihr Ziel waren unsere Spieldollars, die wir eins zu eins mit dem Euro an der Garderobe tauschten.
Die einen steckten sie Ihnen in den Slip, die anderen zwischen die Brüste, mehr Möglichkeiten gab es nicht. Ich hatte mein letztes Geld für drei Becks zu je sieben Euro verpulvert, so dass für die Hennen nichts mehr übrig blieb.
Eine bis zum Hals recht hübsche Brünette dachte da anders. Sie beugte sich zu mir runter und fragte, wie ich den heiße, ich Süßer. Mein betrunkener Kopf überlegte fieberhaft. Die wahre Identität durfte nur der US-Geheimdienst wissen. „Sören Schlumpf“, sagte ich im letzten Moment, bevor die Stille schmerzhaft wurde.
„So, Sören, hast du Lust auf eine Privat Dance?“ Aus ihrem Mund stank es wie aus einer Tabakfabrik und ich wollte mit dem Rauchen aufhören. „Nein, danke, Schnecke. Aber magst du vielleicht ein Fishermans Friend?“
Mein Bruder genoß wie ein Pascha zurückgelehnt, weltmännisch und mit glasigen Augen die Show. „Das Boobs ist das Beste. Die anderen Stripschuppen kannst du vergessen“, sagte er, als ob er sie schon alle hatte.
Mein Cousin strahlte wie ein kleines Kind im Spielzeugladen und verteilte seine Dollarscheine wie 50 Cent durch den Club. Eine Stripperin wollte mehr. Ihr Name war Olga. Ich dolmetschte.
„Willst du vielleicht eine Privat Dance?“
„Sie fragt, ob du vielleicht eine Privat Dance willst?“
„Sag ihr, dass ich nicht mal mehr für den Sprit nach Kroatien habe.“
„Er sagt, er hat nicht mal mehr Benzin für nach Hause.“
„Das glaub ich ihm nicht.“
„Das glaubt sie dir nicht.“
„Sag Olga, ich geb ihr einen Drink aus.“
„Olga, mein Cousin gibt dir einen Drink aus.“
Sie nahm die Getränkekarte und tippte auf den günstigsten Cocktail. 50 Euro. So viel wie ein Privat Dance.
„Sag ihr, der Drink darf nicht teurer als zwei Euro sein.“
Olga verstand und verschwand. Wir grunzten vor Lachen wie betrunkene Schweine. Mein Innerstes drängte nach Außen und drehte sich wie Stripperinnen um die Stange. Irgendwann lernt Mann, wann es Zeit ist, nach Hause zu gehen.
„Jungs, ich geh nach Hause“, sagte ich und stolperte zum Ausgang. Am Petuelring übergab ich mich. Daheim krabbelte ich auf allen Vieren ins Bett zu meiner Freundin. Im Stubenwagen gluckste unsere Tochter glücklich.
„Und, wie wars?“, fragte sie. Ich seufzte.
„Von wegen Koks und Nutten, Liebste. Ich schaff nicht mal Bier und Busen“, lallte ich und schlief ein. Dann, glaube ich, träumte ich von einer deutschen Bar am Strand von Zadar. Dem Beethovens vielleicht. Im Radio lief die kleine Nachtmusik von Mozart.