„Warum bist du jetzt her gekommen, wenn du in zwei Wochen eh wieder da bist?“, fragte mein Vater, als er mich vom Busbahnhof abholte und ich dachte, auch ne nette Art, hallo zu sagen. Ja genau, Kumpel. Warum nur, warum.
Vielleicht wegen dem kroatischen Klima, dem mediterranen Meer oder den kleinen grünen Echsen? Während des Laufens entlang der Küste kreuzten die Viecher ständig meine Wege und hatten sichtlich Spaß daran. Warum sonst sprangen sie aus dem Gebüsch wie auf puschenden Drogen und warfen sich mit ihren Köpfen gegen karge Felsen? Warum nur, warum.
Vielleicht wegen der neusten Studie aus den U.S.A? Gerade überall in der Zeitung. In den Nachrichten. Im Internet. Shitstorm Fachausdruck. Wahre Geschichte. Schokolade macht schlank, Schokolade macht schön, Schokolade macht glücklich.
Nach kurzer Überlegung, ob nicht Ferrero, Nestle und Co. hinter dieser Meldung steckten, meldete sich meine innere Stimme: Mann, Dicker, scheiß aufs Laufen, das mit dem Waschbrettbauch bis 30 kriegst du auch anders hin. Und jetzt ab in den Supermarkt. Auf großer Krieger, auf. Bevor du noch eine kleine, süße, unschuldige Echse mit deinen New Balance in die Adria kickst.
Ich holte mir von jeder Sorte eine Tafel und zwei Glas Nutella obendrauf. Zum Preis von einem. Dank Treuepunkte. Richtig gehört. Auch hier auf dem Balkan wurde kräftig gesammelt. Schließlich ging es nächstes Jahr in die EU. Da musste man Schritt halten mit dem konsumorientierten Westland. Gott bewahre, wenn schlussendlich alles die Adria runterflösse.
Nur nicht die Reptilien. Die waren vorm Aussterben sicher. Zumindest vor mir. Im Gegensatz zur Kakaobohne. Start frei für die totale Völlerei. Ein Stück folgte aufs nächste und das nächste aufs Stück. Tafel für Tafel. Zartbitter auf Vollmilch, Vollnuss auf Knusperkeks. Schwarze auf Weiße und das Ganze von vorne. Bis mein Magen zu Platzen drohte. Ohne das ein Sixpack entstand. Ich fing an zu Träumen.
Ein Sturm zog auf, die Wolken zu und Schokoladenriesen stürzten vom Himmel. Schokoladenriesen, die so quadratisch, praktisch und überdimensional waren, dass es mehr als ein starkes Stückchen war, diesen auszuweichen. Aber eine zarte Versuchung war es wert. Vielleicht sogar die zarteste. Morgens halb zehn in weltweit. Kakaolypse now. Der Untergang.
Nur für mich gab es Rettung. Mit einem sturmfesten Masterplan. Auf der längsten Praline der Welt flog ich zu meinem selbst gemachten Schutzbunker, gebaut aus Palatschinken, beschmiert mit heißer Schokosauce und garniert mit Bananenstücken. Bisschen Obst musste sein. Auch in Krisenzeiten. Und so hamsterte ich wie eine Naschkatze an den leckeren Tapeten und richtig: überlebte. Zumindest für den Augenblick.
Denn dann? Heiliger Bimbam. Ein Springen und Donnern. Ein Rattern und Stürmen. Die Invasion drohte. Vollgedröhnte Echsen mit blutunterlaufenen Augen schmissen sich von außen gegen meine Palatschinkenwände und durchstießen mit ihren winzigen Köpfen den zarten Teig. Kleine braune Haufen stürmten auf mich zu. Und ich? Kickte sie mit meinen Laufschuhen in die Lüfte. Dort schlugen sie Schokoladenriesen zu Boden oder rissen sie mit in die Tiefen der Adria. Doch zu spät. Die Kamikaze-Echsen waren klein, aber viele. Der Widerstand brach. Der Bunker fiel. Ich gehe unter, dachte ich. Rank und schlank. Mit Waschbrettbauch.
Schweißgebadet wachte ich auf und lief auf Toilette. Der Spuk war zu Ende. Der Shitstorm ließ sich nicht mehr aufhalten. Es kam alles ans Licht. 3 Uhr nach Mitternacht. Geisterstunde. Der Mensch war doch in der Lage, vernünftig zu werden. Vor allem, wenn er alles richtig ausdrückte, was ihm im Magen lag. Ja, genau. Darum nur, darum war ich hier. Am Liebsten tat ich es daheim. Bei den Liebsten. Der Familie. Ich rannte in das Zimmer meiner Eltern und flüsterte meinem Vater ins linke Ohr: „Um endlich wieder anständig zu kacken, Kumpel!“