Mit Entschlossenheit in den Augen geht er auf den weißen Punkt zu, tritt ein paar Schritte zurück und ballt seine rechte Hand leicht zur Faust. Vielleicht vor Aufregung. Vielleicht aus Angst. 19 Jahre. Millionen blicken auf ihn, Millionen liegen in seiner Hand. Kurz vor knapp macht er sich locker, blickt zum Schiri gen Himmel, zum Schiri auf den Platz und dann in die Ecke, wo der Ball hin soll. Volltreffer.
David Alaba schießt den Ball ins rechte Toreck und den F.C. Bayern ins Pokalfinale. Hip, hip, hurra. Was für eine Freude. So sehen Sieger aus. Ich leg mich schlafen. Berni fest umschlungen im Arm. Wuschig, kuschlig, warm. Shala. Lala. La.
Am nächsten Morgen wache ich mit einem Siegerlächeln auf. Ich frage mich, wo ich heute zuerst meine Eier schaukeln soll. An der Isar oder im englischen Garten? Vielleicht irgendwo in einem Kaffee ? Aber zuerst ins Kreisverwaltungsreferat. Ein Freund braucht Hilfe. Wichtig. Fragt nicht, warum. Eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht seiner Frau.
Mit dabei ihr Pass – abgelaufen. Ihr Personalausweis – in Kopie. Der Joker: ein leeres Blatt Papier mit ihrer Unterschrift. Eine Vollmacht, die jemand schreiben soll. Für die Akten. Keine Ahnung, wer dieser jemand sein soll. Mein siegesgewisses Lächeln weicht. Ich balle die rechte Hand leicht zur Faust. Schweiß bildet sich auf der Stirn. Mein Magen krampft sich zusammen.
„Ja, aber. Wie soll das gehen, Bruder? Der Pass ist wertlos, die Kopie des Personalausweises kein Original und überhaupt, wir gehen hier nicht in einen Schreibwarenladen und fragen nach einem Bleistiftspitzer. Mann, das ist das KVR und du willst ein rechtskräftiges Dokument, hast aber nichts Rechtskräftiges dabei. Das macht doch keinen Sinn. Das wird nicht klappen. Das mach ich nicht!“
Mein Freund blickt mich ganz ruhig an, legt mir den Arm auf die Schulter und sagt in akzentvollem Deutsch: „Warum nicht, Bruder? Bitte versuchen. Wenn klappt, klappt. Wenn nicht, nicht.“ Volltreffer. Stimmt.
Mit Entschlossenheit in den Augen gehe ich zum Schalter, ziehe eine Nummer und warte. 29 Jahre. Niemand blickt auf dich, nichts liegt in deiner Hand. Du atmest tief ein. Du atmest tief aus. Deine Nummer wird aufgerufen. Du trittst ins Zimmer. Im Radio läuft „Summertime“. Das Leben ist einfach. Aber nur, wenn man seine Eier ab und an zu mehr als nur zum Schaukeln nutzt.
„Der Trainer hat gefragt, ob ich schießen will und ich hab einfach geschossen.“, sagt David Alaba nach dem Spiel und ich füge so für mich dazu – wenn klappt, klappt, wenn nicht, nicht. Es hat geklappt. Die Sache mit der Bescheinigung. Fragt lieber nicht, wie. Aber falls ihr euch fragt, Bernie ist das Maskottchen der Bayern und nein, ich schlafe nicht mit Plüschtieren.
P.S. Der Autor distanziert sich von der bildlichen Textinterpretation seines Illustrators. Nein, es geht nicht darum, Fußbälle in seine Weichteile zu bekommen und dabei tapfer den Schmerz zu ertragen. Aber natürlich auch.