Ich weiß nicht, wie es bei euch dort ist, aber bei mir hier scheint die Sonne. Wirklich wunderbar. Soll ich die Badehose auspacken und eine Runde schwimmen gehen? Hm. Ist schon schön irgendwie. So am Meer. Bei den Eltern. Plätzchen am Tisch, Wein im Keller, das Mittagessen am Herd. Alles köchelt brav vor sich hin. Du hörst sogar die Mücken atmen. Auch ohne Hörgerät. Draußen Explosionen. Was ist da nur los? Der Bürgerkrieg in Kroatien ist schon lang vorbei. Seit nun mehr als 15 Jahren. Ich mache einen Spaziergang und wecke mein Chi. Der Bommel bleibt daheim.
Nach kurzem Fußmarsch erreiche ich die Frontlinie. Eine Schule. Letzter Schultag vor Weihnachten. Schüler tummeln sich an der Bushaltestelle. Sie werfen mit China Böllern D, C und B um sich. Ich höre es deutlich heraus und bin mir gar nicht mehr so sicher, ob es der Tag vor Heiligabend oder D-Day ist. Ich streiche die Mähne des wilden Pferdes. Nach links und nach rechts.
Hinter einem Rosenbusch gehe ich in Deckung. Heiliges Kanonenrohr. „Jebem vam mater!“ sage ich vor mich hin, was zensiert soviel heißt wie, dass ich mit den Müttern der Böller-Werfer Liebe machen möchte. Ich überlege, wo und mit was ich mich bewaffnen könnte, um zurückzuschlagen. Den kroatischen sozial behinderten Sonderschülern zeigen, dass man sich mit mir nicht anlegt. Nicht in Friedenszeiten. Nicht einen Tag vor Weihnachten. Ich überlege es mir anders und gehe an den Strand. Ich suche die Nadel am Meeresboden und lasse die Schlange zu Boden kriechen.
Meine alte Studienfreundin, mit der ich gestern im Zug nach Zagreb saß, hätte anders reagiert und womöglich mit den Köpfen der Böller-Krieger auf dem Pausenhof-Beton Basketball gespielt. Oder womöglich ein belgisches Sprengkommando zum Entschärfen geschickt. Dazu ein nächstes Mal mehr. „Du hast die Macht, selbst zu entscheiden, wie du mit der Lage, in der du dich befindest, umgehst.“, meinte ich zu ihr, nachdem sie mir von ihrer gerade existenziell unglücklichen Gesamtsituation erzählte. Ich riet ihr zu Tai Chi und zeigte ihr den goldenen Hahn, der auf einem Bein steht.
Sie riet mir: „Jebi Tai Chi!“, was so viel heißt wie, dass ich mit Tai Chi Liebe machen soll. Sie pfeife auf den Rat, ständig positiv zu denken. Wut sei schließlich eine natürliche Emotion des Menschen und müsse gefälligst ausgelebt werden. Ich verstand.
Ich öffne den Blick gen Horizont und wehre mit drei ultralangsamen Handbewegungen in Zeitlupe den wilden Affen ab. Ich weiche drei leere Schritte zurück. Besser als nach vorne. Sonst falle ich ins Wasser. Zum Ursprung. Dort, wo alles begann. Nein. So warm ist es dann doch nicht.
Ich befolge den Rat meiner Studienfreundin und lebe meine Wut. Mutig gehe ich zurück zum Kriegsgeschehen und breite vor den Böller-Bubis die Flügel des Kranich aus. Aus meiner Tasche ziehe ich ein Dutzend Plätzchen hervor. Wuchtig werfe ich sie auf den Boden. Sie zersplittern in Tausend Brösel. Kawumm.
„Dios mio man, let me tell you something pendejos: nobody fucks with the Jesus!“, sage ich den Aggressoren, was so viel heißt wie, mein Gott Leute, lasst mich euch Warmduschern was sagen – niemand macht Liebe mit dem … „Mate, essen ist fertig. Komm runter mein Sohn!“, ruft meine Mutter und ich beende den Blogeintrag. Schnell noch den wilden Vogel am Schwanz ziehen und das Chi einsammeln. Ach Freunde. Weihnachten mit der Familie ist schon was Feines. Gute Filme und innere Ruhe sowieso. In diesem Sinne und egal, wo ihr seid: schöne Feiertage und lasst es krachen.
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