Es gibt Menschen, die sind gnadenlos zielorientiert und andere, die sind anders. Neben dem Umstand, dass ich ein hoffnungsfroher Romantiker bin, war ich heut früh vor allem der Schlummer-Typ. Kurz nach 8 klingelte der Wecker und sprach in väterlichem Ton: „Komm schon Mate, Zeit aufzustehen, sich lauwarm zu duschen, anzuziehen und zur Arbeit zu gehen. Die anderen sind doch auch schon unterwegs.“ Ich drückte auf Snooze und murmelte: „Nein Mann, ich will noch nicht aufstehen. Ich will noch ein bisschen pennen.“ Das ganze wiederholte sich 8mal. Heutzutage zieht ja alles so schnell an uns vorbei, da sind fünf Minuten oder in meinem Fall 5 mal 8, also 40 Minuten extra in der früh purer Luxus. Ich genoss es. Selbst der Dalai Lama sagt, dass man sich von Zeit zu Zeit etwas mehr Zeit gönnen und einfach mal länger abhängen sollte. So gesehen scheinen die Blätter an den Bäumen tibetische Buddhisten zu sein. Dieses Jahr hängen sie besonders lang.
Kommen wir zu Weinblättern. Mein Vater ist ein großer Weinliebhaber. Schon im vierten Jahr macht er seinen eigenen Wein. Die ersten drei Jahrgänge waren hervorragende Tropfen. Der vierte Jahrgang nicht. Es fehlte meinem Vater an Geduld. Er ließ dem Wein zu wenig Zeit zum Lagern und füllte ihn zu hastig ab. Man schmeckt es. Gestern probierte ich ein Glas Wein in einer Tasse Tee. Lakritze war nichts dagegen. „Nein, nein, der Wein ist auch dieses Jahr außerordentlich gut!“, verteidigte mein Dad seine Liebe zum neuen Jahrgang. „Mit Sicherheit“, meinte ich und fügte nach kurzer Pause hinzu, „für Leute, die Liköre mögen.“
Ich liebe ja den diesjährigen Herbst. So richtig schön jamaikanisch. Grün. Gelb. Schwarz. Aber dass die deutschen Blätter reinkarnierte Mönche sind, ist unwahrscheinlich. Das Geheimnis ist banaler. Der Frühling hat sich Zeit gelassen, der Sommer hat sich Zeit gelassen und jetzt lässt auch der Herbst sich Zeit. Die Beziehung zwischen Baum und Blatt konnte reifen. Die Kennenlernphase und verliebte Blütezeit der beiden dauerte länger als gewöhnlich und die Verbindung wurde dadurch immer intensiver. Deshalb fällt jetzt auch die Trennung umso schwerer. Wenn nun der Winter langsam an den Baumstamm klopft und der Baum sich wünscht, dass der Schnee seine Äste bedeckt und die Blätter endlich fallen, bin ich überzeugt, dass diese sich nicht wehrlos ergeben werden. Nein, sie werden singen. Ein Lied. Vielleicht „Auf Kredit“ von Clueso.
Baum/Blatt, Vater/Wein, Wecker/ich – für mich hängt eine leidenschaftliche Beziehung nicht zuletzt von der Zeit ab, die man sich für sie nimmt. Du zündest ein, zwei Kerzen oder, wenn du es ganz besonders kitschig magst, auch 5 mal 8, also 40 Kerzen, an. Du machst einen guten Wein auf und füllst ihn in zwei stilvolle Gläser. Keine Teetassen. Du machst Musik an und lässt das Wasser wohltemperiert in die Wanne laufen. Du blickst kurz aus dem Fenster und siehst die Blätter auf den Boden flattern. Ja und dann. Also wenn dann der richtige Moment gekommen ist, rufst du ganz ruhig und tiefenentspannt deinen Partner und flüsterst ihm gnadenlos zielorientiert ins Ohr: „Nein Schatz, ich will mit dir nicht lauwarm duschen. Ich will mit dir nur ganz heiß baden. Sei doch jetzt mein Badesalz für die kalte Winterzeit.“ Da formt sich ein seliges Lächeln im Gesicht des anderen und man begreift: Du brauchst nicht im Himalaya meditieren, um zu entspannen. Du brauchst nur ab und zu mal auf die Schlummertaste drücken.
Ahoi, ich bin mal so frei und poste was in deinen Blog. Sieht super aus! Ich nutze seit kurzem auch WordPress verstehe aber noch nicht alles. Dein Blog ist mir da immer eine gute Inspiration. Weitermachen!
Hey Colin, danke für deinen Kommentar. Freut mich, wenn ich dich inspiriere und motiviert mich natrürlich, acuh weiterzumachen. Schönen Gruß nach Berlin.
Wirklich Nett! i like it! Wo ist denn der Facebook-Like-Button?
Hey Conrad, danke für deine netten Worten. Gefällt mir. So weit ich sehe, ist da ein Facebook-Like-Button oder irre ich mich da…